Montag, Februar 26, 2007

Die SPD und das Kapital

Im folgenden einen Artikel, den ich Rahmen der SPD-Programmdebatte für die Juso-Zeitung "!!!" erstellt habe.

Die SPD und das Kapital von Alexander Wuttke

Am 23. Mai 2007 jährt sich das Gründungsdatum der SPD zum 144. Mal. In den vergangen 144 Jahren ist in diesem Land kein Stein auf dem anderen geblieben. Zwei Weltkriege, zwei Revolutionen und ein Wirtschaftswunder haben die Verfassung Deutschlands nachhaltig verändert. Der Einfluss dieser Entwicklungen auf die Sozialdemokratie ist unübersehbar. Unterzieht man die in Grundsatzprogrammen niedergeschrieben Positionen der SPD einem historischen Vergleich, so wird zweierlei deutlich: Zum einen hat sich ihr früheres Tätigkeitsfeld, das auf die Verbesserung der sozialen materiellen Situation der Arbeiter konzentriert war, auf alle Felder moderner Politik ausgeweitet.
In ihrem originären Tätigkeitsfeld der Wirtschaftspolitik hat sich zweitens ein schleichender Paradigmenwechsel vollzogen, unter den mit dem Bremer Entwurf ein Schlussstrich gezogen wird.
Die grundsätzliche Analyse und Kritik des kapitalistischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems, integraler Bestandteil aller vorherigen Grundsatzprogramme, findet sich in der aktuellen Vorlage nicht mehr. Die SPD hat sich mit dem Kapital versöhnt.
Im Berliner Programm hieß es noch: „Ein historisches Grundproblem des Wettbewerbssystems ist seine Verbindung mit der privaten Verfügung über die Produktionsmittel.“ Im Bremer Entwurf ist nur von „der Effizienz und Rationalität dezentraler Entscheidungen und ihrer Grenzen“ die Rede.
Das neue Grundsatzprogramm markiert aber auch gerade deswegen eine Zäsur in der Parteigeschichte, weil sie sich von einem, vielleicht von dem elementaren Ziel nahezu verabschiedet, das diese Partei geprägt hat wie kein anderes: Dem Demokratischen Sozialismus.
Dass der Begriff überhaupt im Bremer Entwurf Erwähnung findet, ist einigen Linken im Parteivorstand wie Hilde Mattheis zu verdanken.

Dieser Begriff war die Leitidee des sozialdemokratischen Handelns. Mit ihm verband sich die unerschütterliche Hoffnung auf eine besser Gesellschaftsordnung auf dem Fundament von Freiheit und Solidarität. Dieses Ziel ist Ausdruck unserer Kernkompetenz: Soziale Gerechtigkeit.

Dass gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts dieser Begriff und insbesondere die Kritik am kapitalistischen System aufgegeben wird, ist unverständlich. Immer mehr Menschen macht die Ökonomie und Ökonomisierung der Gesellschaft Angst. Es ist ein diffuses Gefühl der Ohnmacht gegenüber scheinbar unbeherrschbaren Kräften.
Wenn AEG oder BenQ die Werkstore schließen, wenn Unternehmen sich staatlicher Kontrolle entziehen, wenn hoher Gewinne Arbeitnehmer entlassen werden, wird deutlich: Vom Profit der Unternehmen profitiert die Gesellschaft nicht. Begünstigte ist allein eine kleine Clique von wohlhabenden Anteilseignern. Das in den Wirtschaftswissenschaften als Trickle Down Effekt benannte Prinzip, nachdem der Wohlstand von oben nach unten durchsickere, hält der Wirklichkeit nicht stand.
Die oben angesprochene „Effizienz und Rationalität dezentraler Marktentscheidungen“ ist im Kern auf die Fähigkeit des Kapitals zu reduzieren, ihre Gewinne zu maximieren. Doch was nützt uns ein Unternehmen, das mit 3 Milliarden Euro plus bilanziert, aber weder Steuern zahlt noch Arbeitsplätze schafft?
Hier handelt es sich nicht um Details, sondern um das Grundproblem des Kapitalismus: Das Prinzip der Profitmaximierung kennt keine Menschlichkeit. Warum sollte BASF Medikamente für seltene Krankheiten entwickeln, wenn diese nur 1000 Abnehmer finden? Warum sollte Deutsche Bahn weiterhin Grefrath oder Viersen anfahren, wenn die Bürger zwar auf Mobilität angewiesen sind, aber der Ort zu klein ist, damit sich ein Bahnhof rentiert? Warum sollte RWE Usbekistan mit Strom versorgen, wenn die ihn nicht bezahlen können?
Die Vorzüge marktwirtschaftlicher Systeme stehen außer Frage. Es ist jedoch fahrlässig seine strukturellen Schwächen zu vergessen. Es geht nicht darum, dem Kapitalismus den Kampf anzusagen.
Es geht darum auch im neuen Grundsatzprogramm den Kapitalismus einer nüchternen Analyse zu unterziehen. Und darum eine Perspektive aufrecht zu erhalten, auf eine Gesellschaft ohne Arbeitszwang, ohne Armut, auf eine Gesellschaft, in der die Bürger darüber entscheiden, was und wie produziert wird und nicht die Logik des Kapitals.

Es ist die historische Grunderfahrung, dass Reparaturen am Kapitalismus nicht genügen. Eine neue Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft ist nötig. Berliner Programm

Überblick und Diskussion verschiedener Reformmodelle zur sozialen Grundsicherung

Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit habe ich eine Übersicht verschiedener Reformmodelle zur sozialen Grundsicherung erstellt und dabei insbesondere das Bedingungslose Grundeinkommen und die Aktivierende Sozialhilfe diskutiert.

Für alle Interessierten: Überblick und Diskussion verschiedener Reformmodelle zur sozialen Grundsicherung

Samstag, Februar 17, 2007

Der Revoluzzer

Der Revoluzzer
Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet
von Erich Mühsam

War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: "Ich revolüzze!"
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.

Doch die Revoluzzer schritten
mitten in der Straßen Mitten,
wo er sonsten unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unser Revoluzzer
schrie: "Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!

Wenn wir ihn' das Licht ausdrehen,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Laßt die Lampen stehn, ich bitt! -
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!"

Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.

Donnerstag, Februar 15, 2007

ISO 26.000 kommt!

Ein Beschluss, von dem nur Wenige wissen und dessen Wirkung zunächst auch rein symbolisch ist.
Nachdem es die Inernationale Organisation für Normung geschafft hat, unser komplettes Leben von Briefpapier, Sicherheitsgurten und Dachziegeln bis zu Fahrradsitzen zu vernormen, beweist die ISO nun die Kraft internationaler Übereinkünfte.

In Zukunft wird die "ISO 26.000" Richtlinien des sozialen Wirtschaftens vorgeben.
Konzerne, die der ISO-Norm entsprechen möchten, müssen soziale und ökologische Basisstandards akzeptieren und dabei sogar für ihre Zulieferer haften. Ihre Produkte dürfen beispielsweise nicht von Kindern hergestellt sein oder sie müssen den Arbeitern freie Lohnverhandlungen zubilligen.


Arbeitgeberverbände haben monatelang verbittert versucht, die neue Norm zu verhindern.

Bezeichnend, dass gerade eine derart unbekannte Organisation vollbringen mag, was der Politik scheinbar nicht möglich ist: Die internationale Durchsetzung elementarer Rechte von Arbeitnehmern- und Arbeitnehmerinnen.

Mittwoch, Februar 14, 2007

Vom Widerspruch zwischen Wort und Tat: VW-Gesetz vor dem Fall

Das sogenannte VW-Gesetz, welches das Stimmrecht einzelner Aktionäre auf 20% begrenzt, steht vor dem Fall. Der Europäische Gerichtshof wird vorraussichtlich dieses nahezu 50 Jahre alte Gesetz als nicht vereinbar mit EU-Recht erklären.
Damit geht eine große Chance verloren.

April 2005: Franz Müntefering vergleicht anonyme Finanzinvestoren, die über Unternehmen herfallen, sie abgrasen und dann weiterziehen, mit Heuschreckenschwärmen.
Doch nicht erst seit diesem berühmt-berüchtigten BamS-Interview des heutigen Arbeitsministers vergeht keine wirtschaftspolitische Grundsatzrede ohne Verweis auf die große Gefahr internationaler, hoch spekulativer Investmentfonds, die ganze Volkswirtschaften destabilisieren könnten.
Zum Standardreportouir einer jeden Wirtschafts- und Staatsanalyse gehört natürlich auch der "wachsende Kontrollverlust" der Politik. Erhard Eppler erklärt angesichts der scheinbaren Übermacht des Kapitals den Staat gar zum Auslaufmodell.

An Erkenntnis scheint es nicht zu mangeln.

Doch scheint es unglaubwürdig, an Rednerpulten die Macht des Kapitals und das Risiko von Hedge-Fonds zu geißeln und am Verhandlungstisch jede Möglichkeit, diese Missstände zu beseitigen, auszuschlagen.
Das VW-Gesetz ist hier ein Paradebeispiel.

Es dient dem Ziel, feindliche Übernahmen abzuwehren und politisch ungewollte Unternehmensentscheidungen zu verhindern.
Sogenannte Goldene Aktien, das heißt Stimmanteile mit besonderen Mitbestimmungsrechten wie einer Sperrminorität sind international Gang und Gäbe.

"Die stärksten Schutzmaßnahmen vor ausländischen Übernahmen herrschen in Frankreich. Vor zwei Jahren trat dort ein Dekret in Kraft, das zehn Schlüsselbranchen mit einem staatlichen Schutzwall umgibt. Dazu gehören etwa Rüstungskonzerne, Impfstoffhersteller, Biotechfirmen und Spielcasinos. Auch beim teilprivatisierten Energieriesen Électricité de France und der Großbank Crédit Lyonnais besitzt der französiche Staat Vetorechte." (taz)

Warum gibt man ein solch kraftvolles Instrument wirtschaftlicher Regulierung so leicht aus der Hand?
Wenngleich wir nicht verkennen dürfen, dass staatliche Eingriffe die Attraktivität des hiesigen Standortes schmälert, sollte die Regulierung der Wirtschaft nicht weiter derart verschmäht werden.

Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen, heißt es immer.
Zur Durchsetzung der Interessen der Menschen in der Wirtschaft, bedarf es daher einer Demokratisierung der deutschen Großkonzerne.
Ein Instrument wie das VW-Gesetz, das es dem Land Niedersachsen ermöglicht, zwei Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden, darf nicht aufgegeben werden.
Im Gegenteil: Wir brauchen auch ein Deutsche-Bank-, ein Siemens- und ein Telekom-Gesetz.

Dienstag, Februar 13, 2007

Dienstagsgedicht

Das Meer in mir

Ins Meer hinein, ins Meer,
in seine schwerelose Tiefe,
wo die Träume sihc erfüllen,
und Zwei in einem Willen
sich vereinen, um zu stillen
eine große Sehnsucht.

Ein Kuss entflammt das Leben
Mit einem Blitz und einem Donner,
und sich verwandelnd
ist mein Körper nicht mehr Körper,
als dränge ich vor zum Mittelpunkt
des Universums.

Die kindlichste Umarmung
Und der reinste aller Küsse,
bis wir beide nichts mehr sind
als nur noch eine große Sehnsucht.

Dein Blick und mein Blick
Wortlos hin und her geworfen,
wie ein Echo wiederholend: tiefer,
tiefer, bis weit jenseits alles Seins
aus Fleisch und Blut und Knochen.

Doch immer wach ich auf
Und immer wär ich lieber tot,
um endlos mich mit meinem Mund
in deinen Haaren zu verfangen.

Ramon Sampedro. Erinnernd an einen der schönsten spanischen Filme - El Mar Adentro.





Montag, Februar 05, 2007

Montagsgedicht

In Gesellschaft

Ich kam in das Cocktailparty
Zimmer und stieß auf drei oder vier Schwule
die sich auf Schwulenart unterhielten.
Ich wollte freundlich sein aber hörte
mich zu einem auf Hipsterart sprechen.
„Schön Sie zu sehen“, sagte er und
blickte beiseite. „Hmn“, grübelte ich. Das Zimmer
war klein, es gab ein Etagen
Bett und eine Kochnische:
Kühlschrank, Wandschränkchen, Toaster, Herd;
der Gastgeber schien Platz nur
zum Kochen und Schlafen zu haben.
Meine Bemerkung zu diesem Umstand wurde
verstanden, aber nicht gewürdigt. Mir wurden
Getränke angeboten, die ich akzeptierte.
Ich aß ein reines Fleischsandwich, ein
riesiges Sandwich aus Menschenfleisch,
das, wie ich beim Kauen bemerkte,
auch ein schmutziges Arschloch enthielt.

Es kamen mehr Gäste, darunter auch ein
flottes Frollein, das aussah wie
eine Prinzessin. Sie funkelte mich an
und sagte sofort: „Ich kann Sie nicht ausstehen“,
wandte sich ab und weigerte sich, mir
vorgestellt zu werden. „Wie bitte!“ sagte ich
hell empört, „warum, du blödes Arschgesicht!“
Das sicherte mir allgemeine Aufmerksamkeit.
„Warum, du narzisstische Schlampe! Wie
kannst du so etwas sagen, du kennst mich
ja nicht mal“, fuhr ich fort, lauthals und
mit messianischer Stimme hatte ich jetzt richtig
in Fahrt das ganze Zimmer im Griff.

Traum New York - Denver, Frühjahr 1947.

Allen Ginsberg, "Gedichte", RoRoRo.

Allen Ginsberg, "Gedichte", RoRoRo.

Sonntag, Februar 04, 2007

Radikalität in Wort und Tat, einige lose Gedanken

„Warum schweigen die Intellektuellen?“ war das Thema einer Podiumsdiskussion mit Jochen Kelter(Schriftsteller), Christoph Nix(Theaterintendant), Imre Trökök(Schriftsteller) und Cordula Weineke(Journalistin) am 01. Februar 2007 im Hotel Graf Zeppelin in Konstanz. Viele, durchaus interessante, Antworten konnte man den Abend über hören. Aber in der anschließenden Debatte stellte sich schnell und deutlich heraus, dass die Gäste auf die ursprüngliche Frage gar nicht wirklich eine Antwort hatten hören wollen.

Was sie hören und wozu sie vor allem spreche wollten war die Antwort auf die Frage: Was jetzt! Und natürlich kam man auch auf das Thema „Jugend“, wie das immer der Fall ist, wenn Linke debattieren, dabei waren, zumindest für eine Veranstaltung dieser Art, erstaunlich viele Jugendliche unter der sowieso überraschend großen Anzahl der Anwesenden. Auf der einen Seite wurde gefragt, wo die jungen Intellektuellen seien, auf der anderen, vielleicht als Reaktion, aber ich kann auch irren in der Reihenfolge, bekam man zu hören, das Podium und die in den Medien präsenten Intellektuellen seien gar nicht die, die wir Jungen hören wollen. Dazu ein paar andere Gedanken:

Wir, die jungen Erwachsenen, haben gelernt jeder totalen Deutung zu misstrauen. Was wir geben wollen und selber brauchen sind abgewogene und ausgewogene, vermittelnde Meinungen, aber die sind – offensichtlich - in vielen Fällen nicht so interessant und publikumswirksam.
Als die Post-No Future Generation, die wir, was interessant ist, sehr viel – vielleicht übermäßig viel - auf unsere Möglichkeiten, was heißt auf unsere Zukunft reflektieren, stecken wir in einem Widerspruch: Wir sehnen uns nach Weltentwürfen, in dem Wissen, dass sie an unserem Urteil scheitern müssen. Wir haben diese Erkenntnis besonders den Erfahrungen der drei Generationen vor uns zu verdanken und wir müssen ihnen in gewisser Weise dafür dankbar sein.
Manche von uns schließen jetzt ab, jeder und jede auf seine und ihre Weise. Weltflucht in weltfremden Radikalismus ist dafür ein Beispiel, betrifft aber zum Glück noch nur eine Minderheit. Vor allem sind es die immer früher Resignierten, die sich so komplett mit den Umständen arrangieren, dass sie bald vergessen überhaupt unzufrieden gewesen zu sein – die Symptome ihrer Unzufriedenheit aber bleiben.

Was kann man also tun. Vielleicht ist es notwendig die Radikalität nicht mehr in den Worten sondern in Bereichen des eigenen Lebens zu suchen. Die sozialen und ökologischen Bewegungen der letzten Jahrzehente können uns hier ein Vorbild sei. Natürlich gibt es auch und hier Negativbeispiele, sie haben, da es sich um Eingriffe in die Realität handelt, besonders gravierenden Folgen, man betrachte nur das Ver-Sehen der Realität durch die RAF. Aber ich glaube, dass die Reflexivität die uns jede reine Utopie nimmt, uns auch vor Entgleisungen der Tat bewahrt.

Was wir versuchen können ist eine neue Radikalität des Lebens zu erreichen, in den Bereichen, die wir, zumindest so weit unser Wissen reich, selbst bestimmen und überblicken können. Das beginnt mit den Nahrungsmitteln, die wir zu uns nehmen, den Anziehsachen die wir tragen, den Wohnungen in denen wir wohnen, das beinhaltet aber vor allem die Weise wie wir mit uns selbst und mit anderen umgehen.
Es ist schwer alte Gewohnheiten abzulegen und die Nachrichten die wir aus der Welt und der engsten Nachbarschaft erhalten beschämen und machen schwach. Der Widerspruch zwischen unseren Wünschen und der Wirklichkeit spaltet uns.
Aber wir brauchen niemanden, der diese Gespaltenheit in einer Totalität aufgehen lässt, so sehr wir es uns manchmal wünschen mögen – die uns dazu ermutigen, verfolgen zu meist eigene, von unseren sehr verschiedene, Interessen.
Was wir brauchen ist Hilfe mit dem Gespaltensein weiter zu leben, sich vor Verführungen zu schützen. Dafür bräuchten wir Intellektuelle, aber es mag sein, dass wir diese vor allem selber werden und sein müssen.
Das heißt natürlich nicht, dass sich alle künstlerischen Arbeiten und alle theoretischen Überlegungen diesem Diktat beugen müssten, es ist meine ich sogar notwendig, dass sie dies nicht tun, aber sie müssen im Bewusstsein ihrer, zumindest vorerst, kategorischen Verschiedenheit von der Realität geschaffen werden.

Wenn wir an unseren zentralen Werten – Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität – festhalten, im Wort und in der Tat, wir sie wirklich Ernst nehmen, dann brauchen wir womöglich keinen großen Entwurf. Wir werden uns, auch wenn wir, was schön ist und eigentlich erst frei macht, unsere Entscheidungen von morgen heute noch nicht kennen, immer näher auf das sich andeutende Ziel zu bewegen und es wir mit jedem Tag konkreter werden.