Montag, Juli 09, 2007

Kurz notiert

Die Scheindebatte darüber, ob die SPD mit der Linkspartei einen neuen möglichen Koalitionsparteien gefunden hat, ist in den Medien in den letzten Tagen heiß debattiert worden. Wowereit war mit seiner Position dabei ganz alleine. Völlig unbeachtet hat sich allerdings auch Gabriel auf seine Seite geschlagen. Im Bericht aus Berlin sagt er:
Wenn es so läuft wie in Berlin, wo sie sich Linkspartei an die SPD anlehnt und eine Lernkurve hinter sich bringt; warum dann nicht mit denen?
Eine Position, die man nicht vergessen sollte. Bei einem (wahrscheinlichen) Verlust 2009 durch Beck wird dieser Mann schließlich vorraussichtlich eine der wichtigsten Personen in der SPD.

Nachtlektüre

Wat zu lesen für die Nacht: http://members.tripod.com/~Sprayberry/poems/howl.txt

Donnerstag, Juli 05, 2007

Kurz notiert

Ergebnis zahlreicher Hinterzimmergespräche: Neuer Richter am Bundesverfassungsgericht wird Ferdinand Kirchhof. Bruder des bekannten Professor aus Heidelberg. Fachlicher Schwerpunkt: Na was wohl: Steuern.

Die Nahles-Hoffnung: Machtgewinn der Linken oder Pyrrhus-Sieg

Vor einigen Wochen hat Kurt Beck seine Vorschläge zur neuen Führungsmannschaft der SPD unterbreitet, treffender formuliert vor einigen Wochen hat Kurt Beck die neue Führungsmannschaft der SPD bestimmt.
Neben Frank-Walter Steinmeier, der Ortsvereinssitzungen wohl nur durch den 'Bericht aus Berlin' und vom Hörensagen kennt, und Peer Steinbrück, dem historischen NRW-Wahlverlierer und erfolgreichen Finanzminister den Beck angeblich nur widerwillig auf Druck des Reformflügels nomierte, wird auch Andrea Nahles in die Riege der Stellvertreter einziehen. Der Posten, den sie klugerweise vor einem Jahr nach der gewonnenen und zerronnenen Generalsekretärsnominierung abschlug.

Sie ist momentan die Gallionsfigur der SPD-Linken. Sie ist die einzige Linke unter den Berliner A-Politpromis. Wenn Journalisten wissen wollen, wie die Parteiflügel Vorschlag X bewerten, wird sie angerufen. Erst wenn bei ihr besetzt ist, dürfen Böhning oder Rossmann vor die Kameras.
Jusos und Parlamentarische Linke feiern diesen Einzug in die Schaltzentrale der Partei bereits in der Hoffnung nun besser auf die Programmatik einwirken zu können.
Dabei könnte sich dieser vermeintliche Machtgewinn als Pyrrhus-Sieg herausstellen.


Die Erwartungen an Nahles sind groß. Björn Böhning schreibt in der Juso-Zeitung Update:
Wir Jusos freuen uns besonders, dass unsere ehemalige Juso-Bundesvorsitzende Andrea Nahles zur stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert ist. Sie ist unter den zukünftigen Stellvertretern jemand, der [...] für eine offene Auswertung der Agenda 2010 steht.

Dass er sich da mal nicht zu viel erwartet. Ende Mai schreibt Andrea Nahles auf spd.de unter der Unterschrift 'Reformpolitik zahlt sich aus': "Es ist gut, dass wir die Agenda 2010 gemacht haben. [...] Mit der Agenda 2010, so Nahles, habe sich die SPD getraut, Reformen anzugehen, die unpopulär, aber notwendig waren. Nun streiche Deutschland die Reformrendite ein."

Zunächst festzuhalten ist:
Wenn das eine offene Auswertung der Agenda 2010 ist, unterscheidet sich ihre Analyse nicht von der Gerhard Schröders.

Andrea Nahles ist jemand, der jahrelang Funktionärsposten auf verschiedensten Ebenen bekleidet hat, die Partei kennt, versteht, wie Politik funktioniert und die Gabe hat, politische Entwicklungen zu analysieren. Sie weiß, dass eine rückwärtsgewandte Anti-2010-Rhetorik weder der Partei noch ihr nützt. Zu Recht sagt sie: "Die Diskussion um die Programmatik der SPD wird nach vorne geöffnet." Ewige Agenda-Kritik á la Ottmar Schreiner sind auch an der mehrheitlich nicht-neoliberalen Basis nicht beliebt. Außerdem tut sie gerade in den ersten Monate nach ihrer Nominierung gut daran, sich als loyal zu erweisen.

Zu Fragen ist allerdings, ob sie die Agenda-Fanfaren nur aus taktischen Überlegungen
bläst oder auch innerlich davon überzeugt ist.
Inwieweit vertritt sie tatsächlich linke Positionen?

Hier einige Beispiele:
1) Wowereit versucht sich bundesweit (in meinen Augen ungeschickt) zu profilieren mit der Forderung rot-rot-grün nicht zum Tabu zu erklären. Nahles kontert darauf mit Gedankenspielen über die Ampel. Kann eine Linke tatsächlich mit Marktguru Guido, der gegen das (ihr eigenes) Bürgerversicherungsmodell auf Schärfste wettert und die Privatisierung der Krankenkassen fordert, koalieren wollen. Mit jemandem, dessen einziger Beitrag zur Steuerdebatte deren Senkung ist und dem ein Mindestlohn nicht ansatzweise ins Weltbild passt.
Das kann doch nicht ernsthaft ihre Antwort auf die dilemmatische Machtposition der SPD im Fünf-Parteien-System sein?

2) Ein kleiner Auszug aus ihrem Abstimmungsverhalten im Bundestag:
Kosovo: Zugestimmt
Unternehmenssteuerreform: Zugestimmt
Tornados in Afghanistan: Zugestimmt
Rente mit 67: Zugestimmt
Mehrwertsteuer: Zugestimmt

Lediglich der Gesundheitsreform stimmte sie nach langem Zögern nicht zu.

3) Weniger bekannte Gesetzesänderungen wie die kürzliche Verschärfung der Hartz-Gesetze(Jugendliche benötigen Erlaubnis um aus elterlichen Wohnung auszuziehen) begrüßte sie ausdrücklich in Interviews.



Sicherlich ist ihre Nominierung als SPD-Vize ein Fortschritt für die SPD-Linke. Besser als die "Rote Heidi" allemal. Sie wird zukünftig Themen auf die Tagesordnung setzen, die es ohne sie nicht gäbe. Sie wird in Personalfragen anderen des Linken Flügels zum Aufstieg verhelfen, damit deren Machtbasis noch weiter verbreiten, und unliebsame vielleicht verhindern.
Nur dürfen wir die Erwartungen nicht allzu hoch setzen. Sie muss sich noch finden. Vor allem aber ist sie kein reinrassige Linke. Sie ist keine militante Anti-Agenda-Kämpferin. Sie hat sich mit der Agenda abgefunden. Die alten Linken-Parolen wie Arbeitszeitverkürzung etc. wird man bei ihr nicht finden. Auch die Unternehmenssteuerreform findet sich gar nicht so schlecht. Und wenn man sie zum ersten Mal live hört weiß man auch: Sie kann nicht reden.

Aber sie ist das beste, was wir auf dem linken Flügel zur Zeit haben.


Randbemerkungen:
Ebenfalls schreibt Böhning im erwähnten Update 7.3: "Ich denke, es ist sein gutes Recht, diese Aufstellung für 2009 eigenständig vorzuschlagen." Wenngleich ich mich frage warum er dies unnötigerweise anspricht, mag seine Aussage zutreffen. Wenngleich man dem Parteivorsitzenden mit dieser Möglichkeit, die endgültige Zusammensetzung des engeren Führungszirkels faktisch alleine vorherzubestimmen, sehr viel Macht einräumt. Dass dabei (auch im persönlichen Gespräch) jedoch keine Kritik an Peer Steinbrück geäußert sein mag machtpolitisch verständlich sein, ist aber dennoch überfällig.
Vielleicht hat das mit seinen engen Verpflechtungen zu Ziehvater Wowereit zu tun, der ihm eigens im Senat ein neues Referat schuf und sich ebenfalls um den Vize-Posten bewarb.