Sonntag, Februar 04, 2007

Radikalität in Wort und Tat, einige lose Gedanken

„Warum schweigen die Intellektuellen?“ war das Thema einer Podiumsdiskussion mit Jochen Kelter(Schriftsteller), Christoph Nix(Theaterintendant), Imre Trökök(Schriftsteller) und Cordula Weineke(Journalistin) am 01. Februar 2007 im Hotel Graf Zeppelin in Konstanz. Viele, durchaus interessante, Antworten konnte man den Abend über hören. Aber in der anschließenden Debatte stellte sich schnell und deutlich heraus, dass die Gäste auf die ursprüngliche Frage gar nicht wirklich eine Antwort hatten hören wollen.

Was sie hören und wozu sie vor allem spreche wollten war die Antwort auf die Frage: Was jetzt! Und natürlich kam man auch auf das Thema „Jugend“, wie das immer der Fall ist, wenn Linke debattieren, dabei waren, zumindest für eine Veranstaltung dieser Art, erstaunlich viele Jugendliche unter der sowieso überraschend großen Anzahl der Anwesenden. Auf der einen Seite wurde gefragt, wo die jungen Intellektuellen seien, auf der anderen, vielleicht als Reaktion, aber ich kann auch irren in der Reihenfolge, bekam man zu hören, das Podium und die in den Medien präsenten Intellektuellen seien gar nicht die, die wir Jungen hören wollen. Dazu ein paar andere Gedanken:

Wir, die jungen Erwachsenen, haben gelernt jeder totalen Deutung zu misstrauen. Was wir geben wollen und selber brauchen sind abgewogene und ausgewogene, vermittelnde Meinungen, aber die sind – offensichtlich - in vielen Fällen nicht so interessant und publikumswirksam.
Als die Post-No Future Generation, die wir, was interessant ist, sehr viel – vielleicht übermäßig viel - auf unsere Möglichkeiten, was heißt auf unsere Zukunft reflektieren, stecken wir in einem Widerspruch: Wir sehnen uns nach Weltentwürfen, in dem Wissen, dass sie an unserem Urteil scheitern müssen. Wir haben diese Erkenntnis besonders den Erfahrungen der drei Generationen vor uns zu verdanken und wir müssen ihnen in gewisser Weise dafür dankbar sein.
Manche von uns schließen jetzt ab, jeder und jede auf seine und ihre Weise. Weltflucht in weltfremden Radikalismus ist dafür ein Beispiel, betrifft aber zum Glück noch nur eine Minderheit. Vor allem sind es die immer früher Resignierten, die sich so komplett mit den Umständen arrangieren, dass sie bald vergessen überhaupt unzufrieden gewesen zu sein – die Symptome ihrer Unzufriedenheit aber bleiben.

Was kann man also tun. Vielleicht ist es notwendig die Radikalität nicht mehr in den Worten sondern in Bereichen des eigenen Lebens zu suchen. Die sozialen und ökologischen Bewegungen der letzten Jahrzehente können uns hier ein Vorbild sei. Natürlich gibt es auch und hier Negativbeispiele, sie haben, da es sich um Eingriffe in die Realität handelt, besonders gravierenden Folgen, man betrachte nur das Ver-Sehen der Realität durch die RAF. Aber ich glaube, dass die Reflexivität die uns jede reine Utopie nimmt, uns auch vor Entgleisungen der Tat bewahrt.

Was wir versuchen können ist eine neue Radikalität des Lebens zu erreichen, in den Bereichen, die wir, zumindest so weit unser Wissen reich, selbst bestimmen und überblicken können. Das beginnt mit den Nahrungsmitteln, die wir zu uns nehmen, den Anziehsachen die wir tragen, den Wohnungen in denen wir wohnen, das beinhaltet aber vor allem die Weise wie wir mit uns selbst und mit anderen umgehen.
Es ist schwer alte Gewohnheiten abzulegen und die Nachrichten die wir aus der Welt und der engsten Nachbarschaft erhalten beschämen und machen schwach. Der Widerspruch zwischen unseren Wünschen und der Wirklichkeit spaltet uns.
Aber wir brauchen niemanden, der diese Gespaltenheit in einer Totalität aufgehen lässt, so sehr wir es uns manchmal wünschen mögen – die uns dazu ermutigen, verfolgen zu meist eigene, von unseren sehr verschiedene, Interessen.
Was wir brauchen ist Hilfe mit dem Gespaltensein weiter zu leben, sich vor Verführungen zu schützen. Dafür bräuchten wir Intellektuelle, aber es mag sein, dass wir diese vor allem selber werden und sein müssen.
Das heißt natürlich nicht, dass sich alle künstlerischen Arbeiten und alle theoretischen Überlegungen diesem Diktat beugen müssten, es ist meine ich sogar notwendig, dass sie dies nicht tun, aber sie müssen im Bewusstsein ihrer, zumindest vorerst, kategorischen Verschiedenheit von der Realität geschaffen werden.

Wenn wir an unseren zentralen Werten – Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität – festhalten, im Wort und in der Tat, wir sie wirklich Ernst nehmen, dann brauchen wir womöglich keinen großen Entwurf. Wir werden uns, auch wenn wir, was schön ist und eigentlich erst frei macht, unsere Entscheidungen von morgen heute noch nicht kennen, immer näher auf das sich andeutende Ziel zu bewegen und es wir mit jedem Tag konkreter werden.


2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Sich anders zu ernähren oder zu kleiden ist sicher nicht radikal.
Radikal (radix=wurzel) meint doch, etwas an der Wurzel zu packen.

Warum wir keine jungen Intellektuellen mehr haben?
Zu begreifen, was die Welt im innersten zusammenhält, ist doch nicht das, was die heutige Studentenschaft antreibt.
Nicht der Blick auf die Gesellschaft, beschäftigt uns, sondern der Blick ist auf unserer eigenes Vorankommen gerichtet.
Im survival of the fittest entsteht der Intellektuelle höchstens als Nebenprodukt oder Ergebnis äußeren Zwangs.

mo hat gesagt…

Selbst unter der auf den Ursprung des Wortes zurückgehenden engeren Bedeutung passt mein Postulat glaube ich immer noch. Wenn du nämlich dein eigenes Leben als die Wurzel begreifst (und die Nahrungsaufnahme ermöglicht dir erst Leben ist also noch wurzeliger ;)) und dir bewusst machst, was dein Sein und Handeln für Auswirkungen hat folgt daraus ein bestimmte bewusste Art des Seins und Handelns, es ist natürlich eine Radikalität im Kleinen, aber das macht sie nicht weniger radikal. Vielleicht ist es sogar in ehrlicherer Weise radikal, als wenn große Gesellschaftsumbauten erstrebt werden, aber das eigene Leben durch alten Strukturen bestimmt ist ("Parteibonzen" in der DDR, etc.).
Zudem bennenst du ja nur zwei genannte Aspekte, dich ich mit "Es beginnt.." selber ausdrücklich als nur einen Teil eingeschätzt habe.

Deine Analyse zum "Warum" erfasst glaube ich einen wichtigen Grund.