Samstag, April 22, 2006

Das Fehlen der kapitalistischen Analyse und Debatte in der SPD-Programmdiskussion

1989 wurde das bis heute gültige Grundsatzprogramm, das Berliner Programm, beschlossen.
Schon mit seiner Annahme war es veraltet, da es in einer Zeit des historischen Wandels, der sich überstürzenden Ereignisse erarbeitet wurde und damit eine annährend korrekte Analyse der Gegenwart nicht möglich war.
Aus diesem Grund unternahm die deutsche Sozialdemokratie schon Mitte der neunziger Jahre beginnend den Versuch einer Erneuerung. Scharping, Lafontaine, Schröder, Müntefering, Platzeck und Beck. Der ständige Führungswachsel in der SPD zerstörte dann jegliche Kontinuität in der Arbeit; jeder Vorsitzender nahm sich des Themas neu an, was dazu führte, dass niemand mehr als einige Bruchstücke hinterließ, auf denen sich nicht aufbauen ließ.
Unter dem neuen Vorsitzenden Kurt Beck soll diese Debatte nun konzentriert und bis Ende nächsten Jahres zum Abschluss gebracht werden.

Im Mittelpunkt der Debatte stehen insbesondere wirtschaftliche und soziale Veränderungen: Die Globalisierung, die "Krise" der sozialen Sicherungssysteme, die demographische Entwicklung.

Doch aus jungsozialistischer Sicht bleibt Grundlegendes ausgespart: Nämlich eine tiefgehende Analyse der Kapitalismuses und die Definition unseres Verhältnisses zum kapitalistischen System.

Es zeigt, dass das Thema an sich und das Verständnis dafür, der Sozialdemokratie entrückt.
Franz Münteferings Kapitalismus-Kritik bereits offenbarte eine Verständnislücke des kapitalistischen Systems, bei der sich (der auch nicht perfekte) Karl Marx, die Nase rümpfen und die Haare raufen würde.

Das expansive Streben des Kapitals nach der Erschließung neuer Absatzmärkte, der Suche nach optimalen Standorten und die Sucht des maximalen Gewinns entspringt und entspricht dem kapitalistischen Wesen und ist keine Frage von Moral oder Gewissen einzelner Kapitalisten.
Folgen sie diesen Prinzipien nicht, werden sie nicht länger Kapitalisten sein.

Auch das Streben des Kapitals (und der Zwang des Staates diesem nachzugeben) nach immer geringeren Arbeits- und Produktionskosten, deregulierten (Arbeits-)märkten und niedrigen Steuern und Abgaben sind dem Kapitalismus immanent.

All dies hat eine höchst destruktive Wirkung. Wir müssen länger arbeiten, zu schlechteren Bedingungen und weniger Lohn.
Auch eine nationale Arbeitereinheitsfront, in Gewerkschaften mobilisiert, muss sich diesen Bedingungen beugen, solange sie nicht global agiert (dazu mehr in einem späteren Eintrag).

Und all diese Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Systems werden nicht wegzureformieren sein, in einer national nur noch begrenzt steuerbaren Wirtschaft werden die von ihnen verursachten Symptome (Armut etc.) sogar noch schwieriger zu lindern sein.

Für mich sollte ein Kernelement des neuen SPD-Grundsatzprogrammes daher neben der kapitalischen Analyse, der Frage wie das Kapital zu behandeln und wie seine Macht zu bändigen ist, auch weiterhin der Wunsch nach einer Überwindung dieses Systemes sein.

"Es ist ihre (der Arbeiterbewegung) historische Grunderfahrung, daß Reparaturen am Kapitalismus nicht genügen. Eine neue Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft ist nötig." Berliner Programm

Dahinter dürfen wir nicht zurückfallen.


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